Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on

Kla­ge ei­nes Um­welt­ver­ban­des ge­gen LNG-Ter­mi­nal Sta­de


Der Klä­ger - ei­ne an­er­kann­te Um­welt- und Na­tur­schutz­ver­ei­ni­gung - wen­det sich ge­gen die im­mis­si­ons­schutz­recht­li­che Ge­neh­mi­gung für die Er­rich­tung und den Be­trieb ei­nes (land­sei­ti­gen) LNG-Ter­mi­nals ein­schlie­ß­lich ei­nes La­gers für ver­flüs­sig­tes Erd­gas in Sta­de an der Un­ter­el­be (Nie­der­sach­sen). Die Ge­neh­mi­gung ist bis 2043 be­fris­tet.


Der Wi­der­spruch des Klä­gers ge­gen die Ge­neh­mi­gung blieb er­folg­los.


Mit sei­ner Kla­ge, für die das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt erst- und letzt­in­stanz­lich zu­stän­dig ist, rügt er, der an­ge­foch­te­ne Be­scheid sei ver­fah­rens­feh­ler­haft er­gan­gen und ver­sto­ße ge­gen ma­te­ri­el­les Recht. Dies gel­te für die Be­triebs­lauf­zeit des LNG-Ter­mi­nals, die Ein­hal­tung ei­nes an­ge­mes­se­nen Si­cher­heits­ab­stands zu schutz­be­dürf­ti­gen Ge­bie­ten, die An­la­gen­si­cher­heit, den Kli­ma­schutz so­wie den Na­tur­schutz. Für die An­la­ge be­stehe kein en­er­gie­wirt­schaft­li­cher Be­darf.


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 24/2025 vom 27.03.2025

Ge­neh­mi­gung für LNG-Ter­mi­nal Sta­de recht­mä­ßig

Die Ge­neh­mi­gung des Staat­li­chen Ge­wer­be­auf­sichts­amts Lü­ne­burg vom 1. No­vem­ber 2023 für die Er­rich­tung und den Be­trieb ei­nes land­ge­bun­de­nen Flüs­sig­gas (LNG)-Ter­mi­nals ein­schlie­ß­lich zwei­er La­ger­tanks in Sta­de ("Han­sea­tic En­er­gy Hub") an der Un­ter­el­be ist nicht zu be­an­stan­den. Das hat das in ers­ter und letz­ter In­stanz zu­stän­di­ge Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig heu­te ent­schie­den.


Der Bund für Um­welt und Na­tur­schutz Deutsch­land, Lan­des­ver­band Nie­der­sach­sen, wen­det sich ge­gen die Ge­neh­mi­gung und rügt ins­be­son­de­re, dass für den bis zum 31. De­zem­ber 2043 zu­ge­las­se­nen Be­trieb des LNG-Ter­mi­nals mit Erd­gas kein en­er­gie­wirt­schaft­li­cher Be­darf be­stehe und ei­ne der­art lan­ge Frist mit dem ver­fas­sungs­recht­li­chen Ge­bot des Kli­ma­schut­zes und dem Kli­ma­schutz­ge­setz nicht ver­ein­bar sei. Au­ßer­dem lä­gen die Ge­neh­mi­gungs­vor­aus­set­zun­gen hin­sicht­lich der Um­rüst­bar­keit der An­la­ge auf ei­nen Be­trieb mit ver­flüs­sig­tem Am­mo­ni­ak nicht vor, die An­la­gen­si­cher­heit sei nicht hin­rei­chend ge­währ­leis­tet und Na­tur­schutz­recht wer­de ver­letzt.


Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Der Se­nat hat be­reits in ei­nem vor­an­ge­gan­ge­nen Ge­richts­ver­fah­ren (Az. BVer­wG 7 A 9.22) ge­klärt, dass es der Ge­neh­mi­gungs­be­hör­de ver­wehrt ist, ei­nen frü­he­ren als den im LNG-Be­schleu­ni­gungs­ge­setz ge­nann­ten Zeit­punkt des 31. De­zem­ber 2043 für die Be­en­di­gung ei­nes LNG-ba­sier­ten Ter­mi­nal­be­triebs zu ver­fü­gen. Aus dem Kli­ma­schutz­ge­bot des Grund­ge­set­zes und dem Kli­ma­schutz­ge­setz er­gibt sich nichts An­de­res. Ob für das LNG-Ter­mi­nal bis zum En­de des Ge­neh­mi­gungs­zeit­raums ein Be­darf be­steht, ist für die Zu­las­sung des Vor­ha­bens oh­ne Be­lang. Die Um­rüst­bar­keit der An­la­ge auf ei­nen spä­te­ren Be­trieb mit ver­flüs­sig­tem Am­mo­ni­ak ("Green Gas Re­ady") hat die bei­ge­la­de­ne Be­trei­be­rin hin­rei­chend nach­ge­wie­sen. Durch­grei­fen­de Be­den­ken ge­gen die Si­cher­heit der An­la­ge be­stehen nach den von ihr im Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren vor­ge­leg­ten gut­ach­ter­li­chen Stel­lung­nah­men nicht. Ver­stö­ße ge­gen Na­tur­schutz­recht lie­gen nicht vor.


BVer­wG 7 A 3.24 - Ur­teil vom 27. März 2025


Be­schluss vom 24.02.2025 -
BVer­wG 7 A 3.24ECLI:DE:BVer­wG:2025:240225B7A3.24.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 7 A 3.24

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 7. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 24. Fe­bru­ar 2025
durch die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Te­get­hoff und
Dr. Löf­fel­bein so­wie die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Bähr
be­schlos­sen:

Die vom A. und vom Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt B. mit dienst­li­chen Er­klä­run­gen vom 29. Ja­nu­ar 2025 an­ge­zeig­ten Sach­ver­hal­te be­grün­den nicht die Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit.

Grün­de

I

1 Der Be­klag­te wird von Herrn Rechts­an­walt C. aus der Kanz­lei D. ver­tre­ten. Mit dienst­li­cher Er­klä­rung vom 29. Ja­nu­ar 2025 hat der Se­nats­vor­sit­zen­de A. an­ge­zeigt, dass sein Sohn E. seit dem 1. März 2024 als An­walt in der Kanz­lei D. tä­tig ist. Sein Sohn sei dort al­ler­dings aus­schlie­ß­lich dem De­zer­nat von Prof. Dr. D. zu­ge­wie­sen. Für das De­zer­nat C. ha­be er bis­her nicht ge­ar­bei­tet und das sei auch nicht zu er­war­ten. Das Se­nats­mit­glied Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt B. hat mit dienst­li­cher Er­klä­rung vom 29. Ja­nu­ar 2025 an­ge­zeigt, dass ein an­de­rer Rechts­an­walt aus der Kanz­lei D. ihn seit ca. ein­ein­halb Jah­ren in ei­nem dienst­recht­li­chen Ver­fah­ren ver­tre­te. Das ge­richt­li­che Ver­fah­ren sei zwar seit No­vem­ber 2024 ab­ge­schlos­sen, die an­walt­li­che Be­ra­tungs­tä­tig­keit daue­re aber noch an.

2 Die Be­tei­lig­ten hat­ten Ge­le­gen­heit, zu den dienst­li­chen Äu­ße­run­gen Stel­lung zu neh­men. Die Bei­ge­la­de­ne hat sich da­hin ge­äu­ßert, dass sie kei­nen An­lass für ei­ne Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit se­he. Der Klä­ger hat mit­ge­teilt, er ver­traue im Er­geb­nis auf die Fä­hig­keit bei­der Rich­ter, trotz der mit­ge­teil­ten Sach­ver­hal­te un­be­fan­gen ent­schei­den zu kön­nen.

II

3 Der Se­nat ent­schei­det an­läss­lich der Selbst­an­zei­ge zwei­er Se­nats­mit­glie­der über de­ren Be­fan­gen­heit ge­mäß § 54 Abs. 1 Vw­GO i. V. m. §§ 48 und 45 Abs. 1 ZPO oh­ne Mit­wir­kung der be­tref­fen­den Rich­ter in der bei Be­schlüs­sen au­ßer­halb der münd­li­chen Ver­hand­lung vor­ge­se­he­nen Be­set­zung von drei Rich­tern (§ 10 Abs. 3 Vw­GO).

4 We­gen Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit nach § 42 Abs. 2 ZPO ist ein Rich­ter an der Mit­wir­kung und Ent­schei­dung ei­nes Streit­falls ge­hin­dert, wenn ein Grund vor­liegt, der ge­eig­net ist, Miss­trau­en ge­gen die Un­par­tei­lich­keit des Rich­ters zu recht­fer­ti­gen. Tat­säch­li­che Be­fan­gen­heit oder Vor­ein­ge­nom­men­heit ist nicht er­for­der­lich; es ge­nügt schon der "bö­se Schein", das hei­ßt der mög­li­che Ein­druck man­geln­der Ob­jek­ti­vi­tät. Da­bei kom­men nur ob­jek­ti­ve Grün­de in Be­tracht, die aus der Sicht ei­nes ver­stän­di­gen Pro­zess­be­tei­lig­ten be­rech­tig­te Zwei­fel an der Un­par­tei­lich­keit oder Un­ab­hän­gig­keit des Rich­ters auf­kom­men las­sen (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schluss vom 26. Fe­bru­ar 2014 - 1 BvR 471/10 u. a. - BVerf­GE 135, 248 Rn. 23). Sol­che Zwei­fel kön­nen sich aus dem Ver­hal­ten des Rich­ters in­ner­halb oder au­ßer­halb des kon­kre­ten Rechts­streits so­wie aus ei­ner be­son­de­ren Be­zie­hung des Rich­ters zum Ge­gen­stand des Rechts­streits oder - wie hier in Re­de ste­hend - zu Pro­zess­be­tei­lig­ten er­ge­ben (vgl. BGH, Be­schluss vom 21. Ju­ni 2018 - I ZB 58/17 - NJW 2019, 516 Rn. 10).

5 1. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs kann ein Rich­ter we­gen Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit ab­ge­lehnt wer­den, wenn sein Ehe­gat­te als Rechts­an­walt in der Kanz­lei tä­tig ist, die ei­nen Be­tei­lig­ten vor die­sem Rich­ter ver­tritt (BGH, Be­schluss vom 15. März 2012 - V ZB 102/11 - NJW 2012, 1890 Rn. 9 ff.; vgl. auch Be­schluss vom 21. Ju­ni 2018 - I ZB 58/17 - NJW 2019, 516 Rn. 15). Der Bun­des­ge­richts­hof hat die An­nah­me ei­ner Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit dar­auf ge­stützt, bei ei­ner in der Kanz­lei des Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten ei­ner Par­tei als Rechts­an­wäl­tin ar­bei­ten­den Ehe­frau be­stehe schon auf­grund der be­son­de­ren Nä­he des Ehe­gat­ten des Rich­ters zu dem Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten die Ge­fahr, dass der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te auf die Ehe­frau und die­se wie­der­um auf den er­ken­nen­den Rich­ter Ein­fluss neh­me. Mit­hin kann ein Be­fan­gen­heits­grund auch in na­hen ver­wandt­schaft­li­chen Be­zie­hun­gen des Rich­ters zu ei­nem Mit­glied der als Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te auf­tre­ten­den Rechts­an­walts­so­zie­tät lie­gen (Voll­kom­mer, in: Zöl­ler, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 42 ZPO Rn. 12).

6 Nach die­sen Maß­stä­ben ist ei­ne Be­fan­gen­heit des A. we­gen der Tä­tig­keit sei­nes Soh­nes als An­walt in der Kanz­lei D. hier nicht zu be­sor­gen. Das Nä­he­ver­hält­nis ei­nes Va­ters zu sei­nem er­wach­se­nen Sohn, der nach Ab­schluss sei­ner ju­ris­ti­schen Aus­bil­dung an ei­nem an­de­ren Ort, näm­lich in X, tä­tig ist, ist nicht oh­ne Wei­te­res mit dem ehe­li­chen Nä­he­ver­hält­nis zu ver­glei­chen. Zu­dem be­steht die Kanz­lei D. in X aus­weis­lich ih­res In­ter­net­auf­tritts der­zeit aus ins­ge­samt 33 Be­rufs­trä­gern. Zu die­ser grö­ße­ren An­zahl von Rechts­an­wäl­ten ge­hört seit März 2024 der Sohn des Rich­ters, der dem De­zer­nat ei­nes Part­ners, der in dem hie­si­gen Rechts­streit nicht auf­tritt, zu­ge­wie­sen ist. Die­se Kon­stel­la­ti­on un­ter­schei­det sich auch deut­lich von der ei­ner (ab­ge­lehn­ten) Rich­te­rin, die noch ein Jahr zu­vor in der Kanz­lei ih­res Va­ters, die in dem Rechts­streit auf­trat, an­walt­lich tä­tig war (vgl. OLG Frank­furt am Main, Be­schluss vom 23. Mai 2024 - 2 WF 55/24 - ‌N­JW 2024, 3382 Rn. 14). Dass hier die na­he Ver­wandt­schaft den Rich­ter da­zu be­we­gen könn­te, al­lein we­gen des Ar­beits­ver­hält­nis­ses sei­nes Soh­nes der den Be­klag­ten ver­tre­ten­den gro­ßen Rechts­an­walts­kanz­lei ent­we­der (un­be­wusst) so­li­da­risch oder - um­ge­kehrt - be­son­ders kri­tisch zu be­geg­nen (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 17. Ju­ni 2024 - 9 C 3.23 - ju­ris Rn. 10), ist nicht er­sicht­lich.

7 2. All­ge­mei­ne ge­schäft­li­che oder be­ruf­li­che Be­zie­hun­gen und Kon­tak­te des Rich­ters zu dem Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten ei­nes Be­tei­lig­ten oh­ne be­son­de­re Nä­he und In­ten­si­tät ge­nü­gen nicht für die An­nah­me der Be­fan­gen­heit des Rich­ters (vgl. BGH, Be­schluss vom 10. Ju­ni 2013 - An­wZ (Brfg) 24/12 - NJW-RR 2013, 1211 Rn. 8). Da­nach gibt die in der dienst­li­chen Er­klä­rung von Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt B. mit­ge­teil­te Ver­tre­tung durch ei­nen an­de­ren Rechts­an­walt der Kanz­lei D. in ei­nem gänz­lich an­de­ren Sach­ge­biet kei­nen An­lass, an der Un­vor­ein­ge­nom­men­heit und ob­jek­ti­ven Ein­stel­lung des Rich­ters zu zwei­feln.

8 3. Schlie­ß­lich ha­ben auch die Be­tei­lig­ten auf der Grund­la­ge der ih­nen be­kann­ten dienst­li­chen Äu­ße­run­gen kei­nen An­lass ge­se­hen, die be­trof­fe­nen Rich­ter we­gen Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit ab­zu­leh­nen.